Montag, 24. November 2008

Schwimmen im November - Antalya

Gestern Morgen um sechs Uhr bin ich aufgestanden, nach etwas mehr als zwei Stunden Schlaf, genieße das unglaubliche Panorama das sich vor dem großen Glasfenster erstreckt, das eine ganze Wandseite einnimmt, sehe irgendwo in der Ferne wie sich der blasse Himmel rötlich verfärbt und betrachte die bunten Hochhäuser Antalyas, die sich auf dem steilen, hellbraunen Felsen, der die Küste neben dem kleinen Fischer- und Touristenhafen einnimmt, in die Höhe recken.
Dann gehen wir schwimmen. Sturmwarnung und dementsprechend hohe Wellen, die verhindern, dass man beim ersten Versuch wohlbehalten in den Bereich des Meeres kommt, der einem Schwimmen erlaubt - oder sich treiben lassen auf den Wellenbergen.

Am Freitag sind wir mit zwei Autos losgefahren nach Antalya, dem für deutsche Touristen wohl bekanntesten Städtchen in der Türkei. Es ist das vierzehnte Treffen der Turkish Cavers Union und als wir nachts am Treffpunkt ankommen - Steinhaus in der Altstadt, gedimmtes Licht innen in dem einzigen Raum, Holzbalken, nicht elektronische Dartscheiben, davor ein Garten, umgeben von einer Steinmauer, kleine Tische unter den Blättern von Orangenbäumen - sitzen alle schon zusammen. Alle, die Caver aus der Türkei, aus Izmir, aus Ankara, aus überall. Am Samstag wurde die Union zur Federation, ein bedeutender Tag für das türkische Caving.
Aber für mich erscheint alles ebenso wie ein großer Freundeskreis.

Ich verlasse die türkischen Vorträge für ein paar Stunden, wir machen uns auf Antalyas Altstadt zu erkunden. Den Hafen. Die schmalen Gässchen in dem das angeboten wird, von dem die Bewohner denken, dass es die Touristen interessiere: scheinbar traditionelle türkische Kopfbedeckungen, auf alt gemachte Milchkännchen, metallverziert, leichte Tücher in grellen Farben an denen goldene Münzen baumeln, das Auge, dass das Böse fernhalten soll in allen möglichen Ausführungen. Schockieren tut mich ein Schachspiel, bei dem die klassischen Figuren durch Charaktere und Objekte der Sowjetarmee und der deutschen Armee des zweiten Weltkriegs ersetzt sind, die jeweiligen Flaggen repräsentieren die Türme, die Rolle der Könige ist der Höhepunkt. Ein anderes Schachspiel benutzt Ahmadinedschad und Bin Laden. Auf einem Tisch vor einem der vielen Läden liegen von der Sonne ausgeblichene Bücher. Hitler - Mein Kampf aus türkisch ist auch darunter. Was für ein Bild haben die Anwohner von den Touristen, die nach Antalya kommen, frage ich mich. Noch mehr frage ich mich, was für ein Benehmen die Touristen an den Tag legen, dass es rentabel wird solche Dinge in den hafennahen Läden zum Verkauf anzubieten. Kurz darauf erhalte ich einen Teil der Antwort. Gegeben von einem der vielen Touristenpärchen die deutsch sprechend und von Foto und Rucksack begleitet durch die Straßen ziehen. Duygu ist mit mit unterwegs, sie macht ein Foto von einem der Gebäude, hinter ihr kommt ein Ehepaar angelaufen, unterhält sich lautstark über alles, fragt sich, was das wohl für ein Turm ist, sagt, och ich weiß nicht aber lass uns mal ein Foto machen, beschwert sich auf unangebrachte, freche Weise über jeden, der für das optimale Foto im Weg steht, auf deutsch, weil das ja scheinbar keiner in der Umgebung zu verstehen scheint.

Antalyas Charakter wird geprägt von den Ausländern, die für ein paar Tage kommen. Die Stadt ist schön, vielleicht ein bisschen kitschig mit all den klischeemäßig gepflanzten Palmen und Oleandern, aber sie hat für mich etwas verloren, etwas Identität. Sie ist an den Interessen anderer ausgerichtet und das ist spürbar.

Die Städte und Stätten, die ich auf dem Weg in den Süden besuchen durfte, haben anderen Charakter. Da sind einzelne Brunnen, mitten in der sanft gewellten Landschaft des Reichs des König Midas, dem Phrygier, die seit mehreren tausend Jahren benutzt werden. Da sind Pfützen, die damfen in der Kälte, warme Quellen, da sind Felsblöcke, senkrecht vom Frost gesprengt stehen sie wie Türme nebeneinander. Da sind phrygische Gräber aus dem achten Jahrhundert, riesige Löwen sind in den mächtigen Stein gehauen. Da ist eine der ältesten türkischen Moscheen, in Seyitgazi, dreizehntes Jahrhundert, die friedlich auf einem Hügel über dem kleinen Städtchen ruht, in dem Männer Holz auf Karren hieven und Pferdefuhrwerke dem Wind trotzen.

Hier scheint sich keiner des unglaublichen Alters all dieser Dinge bewusst zu sein, sie sind einfach da. In Antalya wo tausende Touristen den Wert der alten Gebäude der Stadt schätzen wollen, ist der eigentliche Wert kaum noch spürbar. Die Magie ist vielleicht verloren.

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