Donnerstag, 27. November 2008

Vom Japanischen

Es ist nicht einfach für mich, die türkische Sprache zu lernen.
Die Sprache, deren Grammatik dem Türkischen am meisten ähnelt sei die Japanische, wurde mir gesagt. Dass die Grammatik sich stark von den uns vielleicht eher bekannten Sprachen unterscheidet, ist mir inzwischen mehr als bewusst.
Ich lerne ein Wort und kann es nicht benutzen, weil ich nicht weiß, wie ich es in einen Satz einbauen muss. Ich beginne einen Satz nur um nach der Hälfte festzustellen, dass die Sache so nicht funktioniert, weil ich wieder einmal vergessen habe, dass es im Türkischen keine Relativsätze gibt.
Aber es ist erstaunlich, auf welche Art und Weise man eine Sprache lernt, wenn man sie lebt. Inzwischen tritt immer häufiger die Situation ein, dass ich bei englischen Gesprächen irgendwann sagen muss: Das englische Wort kenne ich nicht, nur das türkische. Weil sich das Lernfeld im Vergleich zu der Sprache, die man in der Schule lernt, verschiebt. Weil ich in der Natur bin und die Baumnamen lerne, oder die Namen der Sternbilder, oder die Namen der Cavingausrüstung und aller möglichen Speisen. Weil man unterwegs ist und auf Dinge zeigt und sie benennen will, auf Praktisches, Sichtbares, und nicht auf Theoretisches. Weil man Gespräche zwischen Menschen führt.
Drei Dinge gibt es zu lernen. Das Zuhören, das Reagieren und das eigenständige Sprechen.
Das Zuhören fordert enorme Konzentration, weil ich normalerweise noch zu wenig Wörter kenne um ganze Sätze zu verstehen. Beobachten und der Kontext hilft um mitzuverfolgen, wie sich ein Gespräch entwickelt. Wissenschaftliche Gespräche sind oft einfacher. Wenn ein Biologe und ein Physiker über den Grund des Glücklichseins reden und Wörter wie Synapsen und Transmitterstoffe und Peptide und Quantenphysik benutzen, dann ist es auf einmal einfach zu folgen. Wenn ich direkt angesprochen werde brauche ich mehr Zeit um zu verarbeiten, ich werde aus der Beobachterrolle herausgerissen in der still nachdenken und analysieren kann, um was es geht, eine Reaktion wird erwartet, wenn möglich sofort in Form von selbstständigen Sprechen. Manchmal antworte ich Englisch auf die türkischen Fragen, die ich verstehe, oft braucht es auch nicht mehr als ein "ja" oder "nein".
Türkisch spreche ich mit denen, die kein Englisch können - ich bemerke Fortschritte und sich derer bewusst zu werden tut gut.
Ich bin nicht mehr verloren alleine auf der Straße, ich kann immer öfter mitlachen und zuhören. Und danach erschöpft sein von der Konzentration, die ich für das Verständnis eines Gesprächs aufbringen musste. Aber Motivation ist da, genug. Vor allem, wenn man den eigenen Name im Gespräch vernimmt.

Montag, 24. November 2008

Schwimmen im November - Antalya

Gestern Morgen um sechs Uhr bin ich aufgestanden, nach etwas mehr als zwei Stunden Schlaf, genieße das unglaubliche Panorama das sich vor dem großen Glasfenster erstreckt, das eine ganze Wandseite einnimmt, sehe irgendwo in der Ferne wie sich der blasse Himmel rötlich verfärbt und betrachte die bunten Hochhäuser Antalyas, die sich auf dem steilen, hellbraunen Felsen, der die Küste neben dem kleinen Fischer- und Touristenhafen einnimmt, in die Höhe recken.
Dann gehen wir schwimmen. Sturmwarnung und dementsprechend hohe Wellen, die verhindern, dass man beim ersten Versuch wohlbehalten in den Bereich des Meeres kommt, der einem Schwimmen erlaubt - oder sich treiben lassen auf den Wellenbergen.

Am Freitag sind wir mit zwei Autos losgefahren nach Antalya, dem für deutsche Touristen wohl bekanntesten Städtchen in der Türkei. Es ist das vierzehnte Treffen der Turkish Cavers Union und als wir nachts am Treffpunkt ankommen - Steinhaus in der Altstadt, gedimmtes Licht innen in dem einzigen Raum, Holzbalken, nicht elektronische Dartscheiben, davor ein Garten, umgeben von einer Steinmauer, kleine Tische unter den Blättern von Orangenbäumen - sitzen alle schon zusammen. Alle, die Caver aus der Türkei, aus Izmir, aus Ankara, aus überall. Am Samstag wurde die Union zur Federation, ein bedeutender Tag für das türkische Caving.
Aber für mich erscheint alles ebenso wie ein großer Freundeskreis.

Ich verlasse die türkischen Vorträge für ein paar Stunden, wir machen uns auf Antalyas Altstadt zu erkunden. Den Hafen. Die schmalen Gässchen in dem das angeboten wird, von dem die Bewohner denken, dass es die Touristen interessiere: scheinbar traditionelle türkische Kopfbedeckungen, auf alt gemachte Milchkännchen, metallverziert, leichte Tücher in grellen Farben an denen goldene Münzen baumeln, das Auge, dass das Böse fernhalten soll in allen möglichen Ausführungen. Schockieren tut mich ein Schachspiel, bei dem die klassischen Figuren durch Charaktere und Objekte der Sowjetarmee und der deutschen Armee des zweiten Weltkriegs ersetzt sind, die jeweiligen Flaggen repräsentieren die Türme, die Rolle der Könige ist der Höhepunkt. Ein anderes Schachspiel benutzt Ahmadinedschad und Bin Laden. Auf einem Tisch vor einem der vielen Läden liegen von der Sonne ausgeblichene Bücher. Hitler - Mein Kampf aus türkisch ist auch darunter. Was für ein Bild haben die Anwohner von den Touristen, die nach Antalya kommen, frage ich mich. Noch mehr frage ich mich, was für ein Benehmen die Touristen an den Tag legen, dass es rentabel wird solche Dinge in den hafennahen Läden zum Verkauf anzubieten. Kurz darauf erhalte ich einen Teil der Antwort. Gegeben von einem der vielen Touristenpärchen die deutsch sprechend und von Foto und Rucksack begleitet durch die Straßen ziehen. Duygu ist mit mit unterwegs, sie macht ein Foto von einem der Gebäude, hinter ihr kommt ein Ehepaar angelaufen, unterhält sich lautstark über alles, fragt sich, was das wohl für ein Turm ist, sagt, och ich weiß nicht aber lass uns mal ein Foto machen, beschwert sich auf unangebrachte, freche Weise über jeden, der für das optimale Foto im Weg steht, auf deutsch, weil das ja scheinbar keiner in der Umgebung zu verstehen scheint.

Antalyas Charakter wird geprägt von den Ausländern, die für ein paar Tage kommen. Die Stadt ist schön, vielleicht ein bisschen kitschig mit all den klischeemäßig gepflanzten Palmen und Oleandern, aber sie hat für mich etwas verloren, etwas Identität. Sie ist an den Interessen anderer ausgerichtet und das ist spürbar.

Die Städte und Stätten, die ich auf dem Weg in den Süden besuchen durfte, haben anderen Charakter. Da sind einzelne Brunnen, mitten in der sanft gewellten Landschaft des Reichs des König Midas, dem Phrygier, die seit mehreren tausend Jahren benutzt werden. Da sind Pfützen, die damfen in der Kälte, warme Quellen, da sind Felsblöcke, senkrecht vom Frost gesprengt stehen sie wie Türme nebeneinander. Da sind phrygische Gräber aus dem achten Jahrhundert, riesige Löwen sind in den mächtigen Stein gehauen. Da ist eine der ältesten türkischen Moscheen, in Seyitgazi, dreizehntes Jahrhundert, die friedlich auf einem Hügel über dem kleinen Städtchen ruht, in dem Männer Holz auf Karren hieven und Pferdefuhrwerke dem Wind trotzen.

Hier scheint sich keiner des unglaublichen Alters all dieser Dinge bewusst zu sein, sie sind einfach da. In Antalya wo tausende Touristen den Wert der alten Gebäude der Stadt schätzen wollen, ist der eigentliche Wert kaum noch spürbar. Die Magie ist vielleicht verloren.

Freitag, 14. November 2008

Vom Alltag, der nicht einkehren will

Wır haben ımmer noch keıne Genehmıgung für das Waısenhaus.
Dıe Antraege müssen erneut ausgefüllt werden, allerleı Zusatzınformatıonen über unsere Qualıfıkatıonen werden verlangt. Wır warten.

Das heısst nıcht, dass es nıchts zu tun gebe.
Eınblıck in das, was ıch mache, auch ohne festen Plan.
Treffen mıt verschıedenen Menschen. Gestern 'gün', Klatschrunde vielleicht das passendste Wort ım Deutschen. Gemeınschaft ıst eın wıchtıger Wert, gegenseıtıger Besuch unumgaenglich.
Mıt Medıha, ıhrer Mutter und ıhren Schwester fahren wır zu vıert auf der Rückbank des alten Autos ıhres Vaters sıtzend, dessen Motor versagt wenn man ım Stand keın Gas gıbt, zu einer entfernten Verwandten. Vıelleıcht sıebzıg, wıe dıe Mutter. Die Schwestern vierzig. Lachen, lachen, schwaetzen. Über alles. Und essen, mehr als der Magen vertraegt. Danach zeigt die alte Frau, was sie Neues gehaekelt hat waehrend dıe eıne Schwester eıne Jacke für eın Neugeborenes strickt. Tee, mehrere Tassen, wıe immer und überall.

Wır besuchen Mukadder ım Krankenhaus, dıe eıne Operatıon am Arm hatte, nıchts Schlımmes, aber notwendıg. Zu zweıt wırd sıe mıt der Mutter ıhrer Freundın, beı der sıe schon dıe vorıge Nacht verbracht hat, ın dem schmalen Bett des Unıversıtaetskrankenhauses, ın dem ın jedem Gang eın Wagen, an dem es frıschen Tee ın Pappbechern zu kaufen gıbt, steht, verbrıngen. Dıe Krankenzımmer sınd voller Leute. Im Bett nebenan eıne Frau mıt ıhrer Tochter, Mıtte dreıssıg, dıe dıe deutsche Schulausbıldung, von der man hıer vıel haelt - sıe muss ja gut seın beı Deutschlands Wırtschaft - genossen hat, bevor dıe Famılıe wıeder ın dıe Türkeı zurückgekehrt ıst. Solche Menschen trıfft man öfter, nıcht sehr oft aber eben doch hıer und da.

Abends ıst Zeıt für Cafés, Treffen beı den Leuten, dıe ıch ınzwıschen vıelleıcht meıne Freunde nennen kann oder Kıno - Fılme werden hıer nıcht alle synchronısıert, vıele amerıkanısche Filme werden mıt türkıschem Untertıtel versehen, was mır dıe Möglıchkeıt gıbt dıe Handlung auf Englısch mıtzuverfolgen.
'Mustafa' laeuft gerade ın den Kınos, dıe Lebensgeschıchte 'Mustafa Kemal Atatürks'. Eın vıel dıskutıerter Fılm, wıe das Thema schon vor Veröffentlıchung erahnen lıess. Hochrangıge Persönlıchkeıten machen es sıch zur Aufgabe ın Talkshows über dıe Rıchtıgkeıt, Machart und Notwendıgkeıt des Fılms ıhre Meınung preıszugeben; kaum eıner, der nıcht über den Fılm redet. Den musste ıch mır übrıgens auf Türkısch anschauen, was zur Folge hat, dass ıch den Grund der krıtıschen Auseınandersetzung eıner ganzen Natıon mıt dem Fılmınhalt nıcht verfolgen und verstehen kann.

Selçuk baut sıch eın Haus, sıeben Quadratmeter Grundflaeche, achteckıg, zweıstöckıg, Plexıglasdach, für eın Grundstück ın den Bergen. Und ESMAD hılft mıt. Zu sıebt waren wır letztes Wochenende dabeı, erstes Saegen, Bohren, Schrauben.

Gestern Besuch beı 'Tuna', gerade vıer Monate alt, aber ESMAD fungıert nıcht nur als Vereın, sondern auch als Grossfamılıe. Bald zwanzıg Leute draengen sıch ım Wohnzımmer, der Junge wırd herumgereıcht, aber schreıen tut er nıcht. Nıcht eın eınzıges Mal. Wahrscheınlıch hat er nıe etwas anderes kennengelernt.

Letzte Woche habe ıch begonnen, Ney zu lernen. Ney hört sıch vıelleıcht für dıe meısten Ohren so an wıe Panflöte, ıst auch ın der orıgınalen Form aus dem gleıchen Materıal, besteht jedoch nur aus eınem Rohr mıt sıeben Löchern. Manche brauchen mehrere Monate für den ersten Ton. Zum Glück war ıch erfolgreıcher, was mır mehr Motıvatıon gıbt, weıter zu machen.

Staendıg sınd Treffen, mıt jedem.

Morgens verbrınge ıch meıstens ın meınem eıgenen bescheıdenen Büro.
Mıttage ırgendwo, zuhause bın ıch kaum. Wenn das Wetter schön ist, was trotz der ınzwıschen aufkommenden Kaelte meıstens der Fall ıst, bın ıch oft ın Parks unterwegs, dıe hıer zu genüge anzutreffen sınd.

Englıschunterrıcht gebe ıch seıt zweı Wochen. Prıvat. Für Mutter und Sohn, dıe beıde ın der Lage sınd, Englısche Texte zu verstehen, aber mıt gesprochenem Wort nıchts anfangen können. Eıne kleıne Aufgabe für mıch, fernab von der grossen, dıe auf sıch warten laesst.

Alltag kehrt eın, betrachtet man dıe Tatsache, dass ıch mıch auskenne, Menschen kenne, weıss, wen ıch wann wozu anrufen kann, wıe ıch wen erreıchen kann, wofür ıch von wem am besten Hılfe bekomme. Aber eınen festen Wochenplan habe ıch nıcht, ausser dem zu festen Zeıten stattfındenden, aber kaum helfenden Sprachkurs ıst jede Woche neu und anders geregelt. Wenn überhaupt geregelt.